Beethoven-Archiv Bonn

Der Charme der Bonner Altstadt ist zurück“ titelt der General Anzeiger am 24.02.2005[1]. Die Überschrift nimmt Bezug auf eine Figur, welche neben dem ehemaligen Beethovenhaus in der Bonngasse 18 angebracht ist. Die Figur soll laut der Informationstafel im Eingang den König Balthasar darstellen. Ungewöhnlich an der Aufmachung ist jedoch zum einen, dass die Heiligen Drei Könige selten bis nie alleine und ohne Kontext abgebildet und präsentiert werden, und zum anderen, dass die Figur mit Tabakfass, Tabakblättern und Pfeife ausgestattet ist. Umso befremdlicher wird die Argumentation mit dem Wissen, dass sich im selben Gebäude bis ca. 1820 ein Kolonialwarenladen befand. In diesem Kontext ähnelt die Figur kolonialrassistischer Werbung, welche mit vermeintlicher Exotik für beispielsweise Tabak, Kaffee oder Schokolade warb.

An zentraler Stelle in der Bonner Innenstadt steht das Beethovenhaus, das als der Tourist*innen-Magnet der Stadt fungiert. Zusammen mit dem Nachbarhaus, der Bonngasse 18, gehört das Beethovenhaus zu den ältesten Häusern in Bonn. Nach dem Krieg 1689 wurden beide zerstört und um 1700 wieder errichten. In der Bonngasse wohnte Beethovens Taufpatin Getrud Baum und Beethovens Taufe fand dort statt. Anfang des 19. Jahrhunderts befand in diesem Haus ein Kolonialwarenladen, indem Waren aus den Kolonien verkauft wurden. Aus dieser Zeit, seit mindestens 1820, befinden sich der Schriftzug „Im M*“ und die Figur an der Hausfassade. Danach war es ein Gasthaus, heute gehört es zum Beethovenmuseum[2]. Das Haus wurde 2003 komplett saniert, dafür wurde die Figur abgenommen. Davon wurde eine Replik im Wert von 19.000€ angefertigt, die 2005 wieder angebracht wurde. Das Geld dafür stammte von vom Rotary-Club Bonn, die anlässlich ihres 100-jährigem Jubiläums sammelten[3]. Die originale Figur befindet sich zurzeit im Stadtmuseum. Bei Wiederanbringung der Figur war Publikum und Presse zugegen. Der Generalanzeiger titelte „Der Charme der Bonner Altstadt ist zurück“[4]. Kritische Auseinandersetzung mit dieser kolonial-rassistischen Darstellung eines Schwarzen Menschen fand nicht statt.

Diese Darstellung kann aber nicht nur als stereotype Darstellung gesehen werden, sondern reiht sich in kolonial-rassistische Abbildungen Schwarzer Menschen ein, die auch heute noch oft zu finden sind. In Werbung (z.B. der Sarotti-M*[5]) oder in Filmen und Medien (z.B. im Comic ‚Tim & Struppi im Kongo‘, im ‚Struwwelpeter‘[6]. In der Werbeindustrie wurden M*-Figuren besonders genutzt, um koloniale Waren, wie beispielsweise Schokolade oder Kakao, zu bewerben. Dieses sollte die ‚Exotik‘ der Produkte visualisieren. In medialen Darstellungen werden der M*-Figur oft bestimmte Eigenschaften, wie Dümmlichkeit, Niedlichkeit oder Böshaftigkeit zugeschrieben. Darstellungen sind oft spärlich bekleidet oder mit orientalischen Gewändern, mit großen Augen und Lippen. Die Figur an der Fassade der Bonngasse 18 ist nur mit Federrock bekleidet, ansonsten nackt. Bei ihr ist eine Pfeife und ein Tabakfass, beides sogenannte Kolonialgüter, also Waren aus den Kolonien.  In einer Informationstafel, die im Hauseingang hing, stand, dass die Figur König Balthasar darstelle. Dies passt nicht zum Schriftzug und zur Kleidung, da diese Figur nicht sehr königlich wirkt. Eine Hinweistafel vom Oktober 2020 gibt dann an, die Figur „vereint […] verschiedene Stereotype zur Darstellung außereuropäischer Menschen“.

Der Schriftzug „Im M*“ verstärkt die rassistische Darstellung, denn Sprache ist ein machtvolles Instrument mit einem Gewaltpotential. Sprache wurde im Kolonialismus dafür genutzt, diesen zu verfestigen und zu legitimieren[7]. Das Festhalten an solchen Begriffen überträgt diese Vorstellungen in die Gegenwart.

Der Begriff ‚M*‘ ist eine rassistische, diskriminierende Bezeichnung für Schwarze Menschen. Etymologisch ist es die älteste Bezeichnung für Schwarze Menschen [althochdeutsch: ‚mor‘] und stammt vom lateinischen ‚maurus‘ [‚schwarz‘, ‚dunkel‘, ‚afrikanisch‘] und dem griechischen ‚moros‘ [(„μωρός“: ‚töricht’, ‘einfältig‘, ‚dumm‘, ‚gottlos‘] ab. Im Deutschen ‚Maure‘ besonders mit ‚Heidnisch-Sein‘ verbunden und muslim*ische Bewohner*innen Nordafrikas und Spaniens so bezeichnet. Das M* wurde als Bezeichnung für Menschen afrikanischer Herkunft genutzt. Es wurden, gekoppelt mit zugeschrieben negativen Eigenschaften, als abwertende, rassistische Bezeichnung verwendet[8]. Es ist eine Fremdbezeichnung aus einer weißen, historisch mächtigen Position für ein Gruppe von Menschen entwickelt wurde, um diese als anders oder fremd und nicht der mächtigen Gruppe zugehörig zu bezeichnen. Diese Bezeichnung fällt oft, wie auch an der Fassade der Bonngasse 18 mit einer visualisierten Form der Stereotype zusammen. Beispielsweise ist eine M*-Figur oft als unterwürfiger Diener*in darstellt[9]

Der Begriff findet sich häufig als Namensgeber für Gaststätten, Apotheken, Hotels und Straßen. Hier wird oft in einem kolonialen Kontext Schwarzsein mit dem Konsum bestimmter Waren in Verbindung gebracht. Im diesem Bonner Beispiel spiegelt sich dieses wider, da die Bonngasse 18 sowohl ein Kolonialwarenladen als auch eine Gaststätte war.

Einer Umbenennung wird oft Denkmalschutz, der Verweis auf den Nachnamen von Inhaber*innen oder eine positive Umdeutung entgegengesetzt. Dieser Begriff ist aber nicht von seiner Vergangenheit loszulösen. Viviann Moana Wilmot, Mitglied in der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e.V., gibt in dieser Diskussion zu bedenken: „ob nicht eben wegen [Hervorhebung im Original] der Traditionen, die dem M-Wort eingeschrieben sind, ein Streichen dieser Vokabel aus Sprachgebrauch und Stadtlandschaft wünschenswert wäre.“[10]. Die Entscheidungsmacht, dass der Begriff rassistisch ist und deswegen nicht verwendet werden sollten, sollte bei von Rassismus betroffenen Personen liegen. Eine kritische Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte und des Rassismus, welches in Begriffen und Darstellungen liegt, ist an solchen Orten dringend erforderlich.


[1] Köhl, Bettina (2005) Der Charme der Bonner Altstadt ist zurück. General Anzeiger, online unter: https://ga.de/region/ der-charme-der-bonner-altstadt-ist-zurueck_aid-40529747.

[2] ‚Das Haus „Im Mohren“‘ in: Website des Beethoven-Museum, online unter: https://www.beethoven.de/de/museum#gebaeude.

[3] Köhl, Bettina (2005) Der Charme der Bonner Altstadt ist zurück. General Anzeiger, online unter: https://ga.de/region/der-charme-der-bonner-altstadt-ist-zurueck_aid-40529747.

[4] Ebd.

[5] ‚Geschichte des „Sarotti-M.“: Zur Karriere eines umstrittenen Markenzeichens‘. In: Verwobene Geschichten, online unter: https://www.verwobenegeschichten.de/themen/stadttour-unfreie-arbeit-und-rassismus/8-erster-firmensitz-der-sarotti-ag/geschichte-des-sarotti-m-zur-karriere-eines-umstrittenen-markenzeichens/.

[6] Heisterkamp, Clarissa (2017) „Ihre dunklen Augen glitzern“. Zur Konstruktion des Fremden und zur Darstellung von Diversität im Kinderbuch- eine rassismuskritische Analyse, online unter: https://www.kubi-online.de/artikel/ihre-dunklen-augen-glitzern-zur-konstruktion-des-fremden-zur-darstellung-diversitaet.

[7] Arndt, Susan (2004): Kolonialistische Mythen und Weiß-Sein: Rassismus in der deutschen Afrikaterminologie. In:

AntiDiskriminierungsbüroKöln/cyberNomads [Hrsg.]: The BlackBook. Deutschlands Häutungen. IKO-Verlag für

Interkulturelle Kommunikation: Frankfurt a. M., S. 91–115, S.92, 97f.)

[8] Arndt, Susan/Hamann, Ulrike (2015): >Mohr_in<. In: Arndt, Susan/Ofuatey-Alazard, Nadja [Hrsg.]: Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache: ein kritisches Nachschlagewerk. UNRAST Verlag: Münster, S. 649–652.

[9] Wilmot, Viviann Moana (2020) Das M-Wort als Ausdruck von Kolonialität – anhand eines aktuellen Beispiels aus Thüringen. Jena: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, online unter: https://www.idz-jena.de/wsddet/wsd7-11/. und: ‚Geschichte des „Sarotti-M.“: Zur Karriere eines umstrittenen Markenzeichens‘. In: Verwobene Geschichten, online unter: https://www.verwobenegeschichten.de/ themen/stadttour-unfreie-arbeit-und-rassismus/8-erster-firmensitz-der-sarotti-ag/geschichte-des-sarotti-m-zur-karriere-eines-umstrittenen-markenzeichens/.

[10] Wilmot, Viviann Moana (2020) Das M-Wort als Ausdruck von Kolonialität – anhand eines aktuellen Beispiels aus Thüringen. Jena: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, online unter: https://www.idz-jena.de/wsddet/wsd7-11/, S.113f.

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