Als gegen 1860 der transatlantische Sklavenhandel langsam zu Ende ging, haben die ehemaligen Sklavenhändler, die sich zum größten Teil durch die Zuckerindustrie ein Vermögen aufgebaut haben, neue Wege gesucht um die Unterdrückung fortzusetzen, damit sie noch weiter profitieren können. Ein neues System soll die Versklavung ersetzen: der Kolonialismus.
Der Imperialismus, der zum Kolonialismus geführt hatte, funktionierte hauptsächlich durch die Legitimierung der Bevölkerungen der sogenannten Imperialistischen Großmächte. Um den gewalttätigen Kolonialismus zu legitimieren, mussten die imperialistischen Mächte bewusst fälschlich behaupten, dass die ehemaligen versklavten Menschen keine ebenbürtigen Menschen waren. Diese galt es zu zivilisieren und zu evangelisieren. Es waren also die „Zivilisierten“ Menschen, die die „Unzivilisierten“ „Barbaren“ und „Exoten“ zivilisieren wollten. Die Völkerschauen, die im Rahmen der Kolonialen Ausstellungen stattgefunden haben, waren nur eines von vielen Mitteln, die eingesetzt wurden, um die Dehumanisierung der Menschen, die in den Kolonialgebieten gelebt haben, zu vollbringen. Die Dehumanisierung der Anderen sollte die These „der besseren europäischen Menschen“, die These der „Natürlichen Eroberer“ unterstützen. Daher wurden die Menschen aus den Kolonialgebieten vor allem aus Afrika und Indien in europäischen und nordamerikanischen Städten zur Schau gestellt. Die Menschen waren zum Teil in Käfige geschlossen und zur Schau gestellt, oder sie traten meistens nackt oder halb nackt in ihren traditionellen folkloristischen Gruppen auf. Es war die Produktion des Bildes der „Unzivilisierten
Exoten“, die bis heute in westlichen Medien andauert.
Auch die Stadt Bonn war Schauplatz der Völkerschauen. Der ehemalige Adolfsplatz, dessen Name bereits 1922 zu Frankenplatz geändert wurde[1], war ein Platz für Jahrmärkte, Zirkusse und unter anderem auch Völkerschauen. Die „Hagenbeckschau“ war 1916 als Zirkus am Adolfsplatz in Bonn und gab dort Vorstellungen[2]. Zur Familie Hagenbeck gehörte Carl Gottfried Wilhelm Heinrich Hagenbeck (1844-1913), der als Pionier der Völkerschauen in Deutschland und Europa gilt, und der vermutlich auch mit der „Hagenbeckschau“ gemeint ist[3]. Die Völkerschauen waren sehr beliebt und wurden als Massenphänomen konsumiert und dauerten fast so lange wie die Kolonialzeit. Die Darsteller*innen der Völkerschauen mussten die „Wilden“ spielen, da dies die Erwartung der europäischen und nordamerikanischen Konsument*innen war[4]. Sie begannen 1870 kurz nach den ersten kolonialen Eroberungen durch die europäischen imperialistischen Mächte und endeten gegen 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg.
[1] Straßenauskunft Bonn
[2] Bonner Zeitung/GeneralAnzeiger, 21. April 1916, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“
[3] Radauer, Clemens 2011. Diplomarbeit. „Hagenbeck’s anthropologisch-zoologische Kalmücken-Ausstellung“ –Analyse einer Völkerschau. Universität Wien. S. 33
[4] „Besser, Sie gehen zurück nach Afrika“. DW Deutsch. Gespräch mit Theodor Wonja Michael, online unter: https://www.youtube.com/watch?v=LA8Y0vribvA.