Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 1818 gegründet, ist mit Hauptgebäude, Campus und vielen Instituten nicht nur im Stadtbild, sondern auch aus dem Selbstverständnis der Stadt sehr präsent. Auch hier sind koloniale Spuren zu finden. Einzelne Wissenschaftler*innen der Disziplinen wie Botanik, Bodenkunde, (Kolonial-)Geographie, Ethnologie, Philosophie waren sowohl direkt an der ‚Erforschung‘ der Kolonien, aber auch für die pseudowissenschaftliche Legitimation für Kolonialismus & Rassismus durch theoretische Konzepte beteiligt. Von Forschungsreisen in die Kolonien wurden Reiseberichte, aber auch Objekte mitgebracht, die in Archiven, Sammlungen und Museen der Universität(en) bis heute liegen[1]. Im Folgenden soll an drei Beispielen die Kontinuität von Kolonialismus verdeutlicht werden.
An der Universität Bonn lehrte beispielsweise Carl Troll als Professor für Geographie von 1938-1966, von 1960-1961 war er auch Rektor der Universität Bonn. Mit seiner Forschung trug er zum großen Wachstum des Instituts für Geographie bei und ist immer noch visuell im Institut präsent[2]. Davor war er Leiter der Abteilung für Kolonial- und Überseegeographie in Berlin und Herausgeber der Zeitschrift „Koloniale Rundschau“. Carl Troll kann als Kolonialrevisionist bezeichnet werden, da er nach dem Ende des deutschen Kolonialismus tätig war[3]. Besonders die Geographie hat enge Bezüge zum Kolonialismus, da ‚Forschungsreisen‘ in Kolonien getätigt wurden, vermessen und kartiert, gesammelt und beschrieben wurde[4]. In seinen Reiseberichten, die in Archiven des Geographischen Instituts liegen, In seinen Reiseberichten spiegelt sich sein rassistisches Menschenbild, dass vor allem auf Gruppenbildung und der Zuschreibung von rassistischen Merkmalen aufbaut. Zudem stellt er die Kolonial als rückständig dar, gegensätzlich zum ‚modernen Westen‘. Seine Arbeiten zeigen eine euphemistische Sichtweise auf die Kolonialzeit wieder und versuchen Kolonialismus zu legitimieren[5].
Ferdinand Wohltmann, ab 1894 Professor für Pflanzenbau und Bodenlehre, war seit 1897 im Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft. Auch er war an „Forschungsreisen“ in die deutschen Kolonien beteiligt, erstellte Gutachten über deren Wirtschaftlichkeit und habilitierte über koloniale Landwirtschaft [6].
Das Sammeln von Objekten für Forschung und universitäre Sammlungen, mit dem Ziel des Wissensgewinn, beförderte den Raub von Kunst und Gegenständen aus den Kolonien. Oftmals ist heute der genaue Weg der Objekte nicht dokumentiert. In der Bonner Altamerika Sammlung (BASA) befindet sich beispielsweise eine Bronzeplastik eines Hahns, der aus dem Königreich Benin (heutiges Nigeria) stammt. Während der britischen Kolonialherrschaft wurde unter anderem der Königspalast gewaltvoll geplündert und Kunstgegenstände auf den europäischen Markt gebracht. Die Angabe in der Museumskartei, dass dieser Hahn seinen Platz auf den Giebeltürmen des Königspalasts hatte, bezeichnet die BASA als falsche Vermutung. Doch klar ist, dass diese Figur aus einem kolonisierten Gebiet kommt und nur ihr Erwerb aus London dokumentiert, ist[7]. Diese sogenannten Benin-Bronzen sind in den Medien oft prominentes Thema von Rückgabeforderungen[8] (vgl. Mükke & Wiesner 2018). Erst jüngst war eine Restitutionsforderung von Nigeria rund um die Eröffnung des Humboldt Forums in Berlin in den Schlagzeilen. Die BASA versucht als Universitätssammlung andere Wege der Museums Kuration zu gehen, indem sie versucht die Geschichte der Objekte offen zu legen oder Ausstellungen partizipativ zu entwerfen[9]. Es wird aber deutlich, wie schwierig die aktive Aufarbeitung und Thematisierung der eigenen kolonialen Vergangenheit ist und es bleibt die Frage nach Rückgabe[10].
Die Universitäten, so auch die Universität Bonn, als Ort des Wissens und der Wissenschaft trugen dazu bei, koloniale Bestrebungen zu unterstützen und mit wissenschaftlicher Theorie zu legitimieren. Dieses Zusammenspiel gehört aber nicht der Vergangenheit, sondern bildet eine Kontinuität. Wissen ist Macht und europäische Universitäten beanspruchen Wissen für sich, unterstützen ein eurozentrisches System von Wissen. Auf den Lehrplänen stehen Theoretiker*innen und Wissenschaftler*innen, die eine Rassentheorie konstruierten oder die aktiv an der Erschließung der Kolonien beteiligt waren. Diese Personen werden auch von der Universität gewürdigt, so ist beispielsweise eine Straße am Poppelsdorfer Campus nach Carl-Troll benannt[11], im Geographischen Institut hängt eine Büste und Fotos von ihm. Andererseits können Unis auch ein Ort des Widerstands sein. Postkoloniale Theorien kommen aus Universitäten, Studierende können sich kritisch mit Wissen, Macht und Gesellschaft auseinandersetzen und sich vernetzen.
[1] U.a.: ‚Archiv‘, in: Website Geographisches Institut Universität Bonn. https://www.geographie.uni-bonn.de/zentrale-einrichtungen/archiv/archiv/?searchterm=troll.
[2] Siehe auch: Schenk, Winfried (Hrsg.) (2017): Carl Troll. Dokumente zu seiner Biographie und seinem wissenschaftlichen Werk. Colloquium geographicum Band 35. (E. Ferger Verlag) Bergisch Gladbach.
[3] Kroll, Sabine, Carl Troll, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-troll/DE-2086/lido/5f912d8346c0c9.75919975.
[4] Zimmerer, Jürgen (2004) Im Dienste des Imperiums Die Geographen der Berliner Universität zwischen Kolonialwissenschaften und Ostforschung, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte, Bd. 7, S. 73-100.
[5] Stumpp, Jana (2020) Koloniale Aspekte im Denken und Argumentieren bei Carl Troll (unveröffentlichte Masterarbeit) Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
[6] ‚Ferdinand Wohltmann‘, in: Website der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. https://www.catalogus-professorum-halensis.de/wohltmannferdinand.html.
[7] ‘BOM! April 2019’, in: Website der Bonner Altamerika Sammlung. https://www.basa.uni-bonn.de/bom/bom-2019-04.
[8] Mükke, Lutz & Maria Wiesner (15.01.2018) Die Beute Bronzen. FAZ. https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ kriminalitaet/benin-die-beute-bronzen-15359996.html. Siehe auch: Steffens-Halmer, Annabelle (28.03.2021) Benin-Bronzen: Kunsthistorikerin Savoy spricht von „kulturellem Mauerfall“. Deutsche Welle. https://p.dw.com/p/3rCOl; Habermalz, Christiane (23.03.2021) Die Zeichen stehen auf Rückgabe. Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/benin-bronzen-in-berlin-die-zeichen-stehen-auf-rueckgabe.1013.de.html?dram:article_id=494619.
[9] Montero Fayad, Verónica et al. (2020): From “Bronze Rooster” to Ekeko : Impulses toward Ethnological Provenance Research in University Collections and Museums. Bonn: University of Bonn – BASA Museum, 2020. In: Grana-Behrens, Daniel; Noack, Karoline (Hrsg.): Critical Views on Heritage of the Americas | Miradas críticas sobre patrimonio de las Américas edited by the BASA Museum, 1. http://hdl.handle.net/20.500.11811/8789
[10] Wein, Martin (2020) Streit um Bronzen in Bonn wird zum Wissenschaftskrimi, in: General Anzeiger. https://ga.de/news/wissen-und-bildung/regional/streit-um-bronzen-in-bonn-wird-zum-wissenschaftskrimi_aid-48725081
[11] Kroll, Sabine, Carl Troll, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-troll/DE-2086/lido/5f912d8346c0c9.75919975.